Georgien
Georgien (georgisch /Sakartwelo) ist ein Land
in Transkaukasien, östlich des Schwarzen Meeres und
südlich des Kaukasus. Es grenzt im Norden an Russland,
im Süden an die Türkei, Armenien und im Osten an
Aserbaidschan. In früheren Zeiten wurde es auch als
Grusinien oder Grusien bezeichnet.
Sprachen
Aufgrund der multiethnischen Zusammensetzung werden auch
viele verschiedene Sprachen verwendet. Auf dem Lande leben
viele Volksgruppen in getrennten Dörfern und sprechen
nur ihre eigene Sprache. Kinder, die dort aufwachsen, sprechen
kein Georgisch und haben Schwierigkeiten, dem Schulunterricht
zu folgen.
Amtssprache ist die georgische Sprache, diese wird von etwa
4 Millionen Menschen gesprochen (Stand 1993). Sie gehört
dem südkaukasischen Sprachzweig an und besitzt ein eigenes
Alphabet.
Geschichte
Georgien wurde bereits im mittleren Paläolithikum von
Menschen besiedelt. Im 6. Jahrhundert v. Chr. entstand der
westliche georgische Staat, Kolcheti, im 4. Jahrhundert der östliche,
Iberien. Später unterwarfen die Assyrer, dann Alexander
der Große das Land. Georgien erhob im Jahr 327 das
Christentum zur Staatsreligion.
Am Ende des 10. Jahrhunderts wurde Georgien im goldenen
Zeitalter vereint. Die langjährige Abhängigkeit
vom Byzantinischen Reich wurde abgeschüttelt. Unter
David dem Erbauer und Königin Tamara wurde Georgien
zwischen dem 11. und 13. Jahrhundert die stärkste Macht
in Transkaukasien. Es folgte eine mongolische Invasion unter
Timur Lenk. Im 16. Jahrhundert zerfiel Georgien in die Königreiche
Imeretien, Kachetien und Kartli sowie fünf Fürstentümer,
die unter osmanischem und iranischem Einfluss standen.
1783 schloss Ostgeorgien (Kartlien-Kachetien) einen Schutzvertrag
mit Russland. 1801 wurde Kartlien-Kachetien auf Dekret des
Zaren annektiert und sein Königshaus entthront. Die
Regionen im Westen des Landes blieben noch ein Jahrzehnt
lang staatlich unabhängig. Erst 1810 eroberte Russland
das georgische Königreich Imeretien. Russland brauchte
weitere 54 Jahre, die vollständige Kontrolle über
Westgeorgien zu gewinnen. Die Region Gurien wurde 1828 abgeschafft,
Mingrelien 1857. Die Region Swanetien wurde zwischen 1857
und 1859 annektiert, das Fürstentum Abchasien 1864.
Nach der Oktoberrevolution erklärte sich Georgien am
26. Mai 1918 unabhängig. Am 16. Februar 1921 wurde die
Demokratische Republik Georgien von der Roten Armee in die
Sowjetunion eingegliedert.
Während der späten 1980er Jahre entwickelte sich
ein starke georgische Unabhängigkeitsbewegung. Am 9.
April 1991 erklärte sich Georgien erneut unabhängig.
In Abchasien und Südossetien kam es zu Sezessionskriegen.
Die georgische Regierung hat noch heute keine Kontrolle über
weite Teile ihres Territoriums, da es einen Krieg gegen Südossetien
Anfang der 1990er Jahre verlor und in Abchasien herrscht
ein unruhiger Waffenstillstand.
Georgiens erster Präsident Swiad Gamsachurdia wurde
durch einen Putsch abgelöst. Sein Nachfolger wurde der
frühere georgische KP-Chef und sowjetische Außenminister
Eduard Schewardnadse. Er leitete demokratische Reformen ein.
Die Wirtschaft stagnierte jedoch auf niedrigem Niveau. Hinzu
kamen eine weitverzweigte Korruption und regelmäßige
Wahlfälschungen.
Im November 2003 wurde Schewardnadse in einer von jungen
Reformpolitikern initiierten samtenen Revolution von der
Macht verdrängt. Im Januar 2004 wurde Michail Saakaschwili
zum neuen Präsidenten gewählt. Premierminister
wurde Surab Schwania. Für wichtige Reformfelder wurden
erfolgreiche Auslandsgeorgier als Minister ins Land geholt.
Die Korruption wurde energisch verfolgt. Die Privatisierung
des staatlichen Sektors wurde vorangetrieben. Die Staatsschulden
gingen 2004 erstmals zurück. Es gelang Saakaschwili
den adscharischen Machthaber Aslan Abaschidse zu vertreiben
und Adscharien mit Georgien wiederzuvereinen. Am 3. Februar
2005 verstarb Premierminister Schwania unter nach wie vor
ungeklärten Umständen. Das Amt übernahm Finanzminister
Surab Nogaideli.
Im Sommer 2004 bestanden nach wie vor große Spannungen
in Südossetien, das international nicht anerkannt ist.
Politik
Georgien ist eine demokratische Republik mit einem starken
Präsidialsystem und zentralisierter Verwaltung. Es ist
zugleich eine defekte Demokratie. Zwar ist der Zugang zur
Politik durch freie und geheime Wahlen gesichert, doch werden
politische und bürgerliche Rechte sowie die Gewaltenkontrolle
oft eingeschränkt.
Staatsoberhaupt ist Micheil Saakaschwili. Er wurde am 4.
Januar 2004 mit 96 Prozent der Stimmen zum Präsidenten
gewählt. Premierminister ist Surab Nogaideli. Er wurde
am 17. Februar 2005 auf Vorschlag des Präsidenten vom
Parlament zum Premierminister ernannt und steht einem 14-köpfigen
Reformkabinett vor. Erklärte Ziele der Regierung bis
2009 sind der Kampf gegen die Korruption, wirtschaftliches
Wachstum und, neben dem Streben nach NATO- und EU-Beitritt,
entspannte Beziehungen zu Russland.
Am 28. März 2004 fanden Wahlen zum georgischen Parlament
statt. Stärkste politische Partei wurde die Nationale
Bewegung - Demokraten, die die Träger der samtenen Revolution
zusammenfasst. Sie erhielt mit 66,24 % der Stimmen die Mehrheit
in der Legislative. Wichtige Oppositionsparteien sind die
Rechte Opposition (7,96 %), die Georgische Arbeiterpartei
(3,89 %) und die Freiheitsbewegung (4,39 %).
Seit dem 29. Oktober 2004 ist Georgien mit der NATO durch
einen Individual Partnership Action Plan (IPAP) verbunden.
In dem Plan verpflichtet sich Georgien zur Reform seines
politischen, Sicherheits- und Verteidigungssystems entsprechend
den bei der NATO üblichen Standards. Die USA unterstützen
Georgiens Armee seit 1994 finanziell. Von 2002 bis 2004 waren
Ausbilder im Land tätig.
Georgien ist seit 1992 Mitglied der UNO. Außerdem
gehört es folgenden internationalen Organisationen an:
GUAM, GUS, OSZE, IWF, Weltbank, EBRD, WTO, Europarat, EU-Programm
Europäische Nachbarschaftspolitik (ENP), NATO-Programm
Partnerschaft für den Frieden (PfP), Schwarzmeer-Wirtschaftskooperation.
Die Bundesrepublik Deutschland zählte von der Unabhängigkeit
an zu den wichtigsten Förderern Georgiens, was vor allem
auf die Rolle Eduard Schewadnadses bei der Wiedervereinigung
Deutschlands zurückzuführen ist. Deutschland war
der erste Staat, der Georgien anerkannte. Heute ist Deutschland
einer der wichtigsten bilateralen Geber in Georgien. Von
1993 bis 2005 hat Deutschland mehr als 250 Mio. EUR an Entwicklungshilfegeldern
bereitgestellt.
Wirtschaft
Bereits im 3. Jahrhundert v. Chr. war Georgien die Waffenschmiede
der Antike. Im Kaukasusgebirge wurden Gold, Silber, Kupfer
und Eisen abgebaut. Georgische Handwerker stellten die Schwerter
her, mit denen Griechen und Trojaner kämpften.
Im 20. Jahrhundert konzentrierte sich die Wirtschaft Georgiens
auf den Tourismus im Kaukasus und am Schwarzen Meer, den
Anbau von Zitrusfrüchten, Weintrauben und Tee sowie
den Abbau von Steinkohle, Mangan und Kupfer. Im Westen wurden
Rinder, im Osten Schafe gezüchtet. Es gab einen kleinen
industriellen Sektor, der Wein, Metalle, Maschinen, Chemikalien
und Textilien produzierte.
Nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion erlitt Georgien von
allen Sowjetrepubliken den schwersten Wirtschaftskollaps.
Im Dezember 1990 verhängte Russland eine Wirtschaftsblockade über
Georgien. Bürgerkriege und Unabhängigkeitskämpfe
in Abchasien, Adscharien, Südossetien und Westgeorgien
verschärften die Krise. Die Produktion in Industrie
und Landwirtschaft ging zurück. Das Produktionsvolumen
rutschte bis 1994 auf ein Viertel des Niveaus von 1989. Die
Arbeitslosigkeit in der Hauptstadt Tiflis stieg auf 40 %.
Hilfe vom Westen kam erst 1995 als der Internationale Währungsfonds
(IWF) Georgien Kredite in Höhe 206 Millionen US-Dollar
und Deutschland in Höhe von 50 Millionen D-Mark gewährten.
Zwischen 1995 und 1997 stieg das Produktionsvolumen auf etwa
30 % des Niveaus zu Sowjetzeiten; bis 2001 erreichte es etwa
35 %. 51 % der Bevölkerung lebt unterhalb der Armutsgrenze,
13 bis 15 % der Haushalte leben in extremer Armut (Statistik
2001). Die Gehälter halten mit der Inflation nicht Schritt.
Professoren verdienen 12 Euro im Monat, Alterspensionen liegen
bei rund 6 Euro monatlich, Bürgerkriegsflüchtlinge
erhalten maximal 4 Euro monatliche Unterstützung.
Georgiens größter Außenhandelspartner ist
die Türkei, dahinter folgen Russland, Aserbaidschan
und die Bundesrepublik Deutschland (Stand 2002). Nach den
USA ist Deutschland Georgiens zweitwichtigster Partner bei
der Entwicklungshilfe.
Georgiens Auslandsschulden betrugen 2003 1,3 Milliarden
Euro. 40 % des Geldes stammten von der Weltbank, dem Internationalen
Währungsfond (IWF) und der Europäischen Bank für
Wiederaufbau und Entwicklung. Weitere 60 % wurden in bilateralen
Verträgen von Staaten der GUS, vor allem Turkmenistan
geliehen.
Im Oktober 1995 wurde der Lari (GEL) mit Unterstützung
des IWF und der Weltbank als neue Währung Georgiens
eingeführt. Bis zur Abwertung 1998 war die Währung
stabil zum US-Dollar (1:1). Der Lari ist frei konvertierbar.
Georgien setzt seine Hoffnungen für eine wirtschaftliche
Erholung auf die Entwicklung eines internationalen Transport-Korridors
durch die Schwarzmeerhäfen Poti und Batumi sowie eine
große Ölpipeline vom aserbaidschanischen Baku über
Tiflis nach Ceyhan in der Türkei, die Baku-Tiflis-Ceyhan-Pipeline
(BTC).
Literatur
Die georgische Literatur entstand im 5. Jahrhundert. Jakob
Zurtaweli schrieb das Martyrium der Heiligen Schuschanik.
Eine Blüte erreichte die Literatur im 11. und 12. Jahrhundert
zur Zeit König Davids des Erbauers und Königin
Tamara. Schota Rustaweli verfasste Der Recke im Tigerfell
(georgisch Vep'his tqaosani), ein Epos auf Ritterlichkeit
und Edelmut, die sich über Religion und Nation erheben.
Am Anfang des 18. Jahrhunderts begann mit Sulchan-Saba Orbeliani
eine neue Epoche, indem dieser die Erneuerung der georgischen
Literatur aus dem Geist des Erzählens und durch die
neuartigen lexikologischen Studien in die Wege leitete. Sein
einstiger Zögling König Wachtang VI. errichtete
die erste Druckerei Georgiens, ließ das erste georgische
Wörterbuch und La Fontaines Fabeln verlegen. Zwischen
1915 und 1921 erblühte der Avantgarde um die Gruppe
Blaue Hörner, wurde jedoch nach der kommunistischen
Machtübernahme unterdrückt.
Prominente georgische Schriftsteller des 19. Jahrhunderts
waren Ilia Tschawtschawadse (Der Einsiedler - 1895), Akaki
Zereteli (Suliko, Der Tutor) und Alexander Kasbegi. Wichtige
Autoren des 20. Jahrhunderts waren Grigol Robakidse (Das
Schlangenhemd - 1928, Die gemordete Seele - 1933) und Konstantin
Gamsachurdia (Die rechte Hand des großen Meisters -
1939, David der Erbauer - 1942-1961). Als bedeutende Gegenwartsautoren
gelten Aka Mortschiladse (Die Reise nach Karabach - 1992,
Hunde der Paliaschwili Straße - 1995) und David Turaschwili
(Merani - 1991, Jeans Generation - 2001). Der aus Georgien
gebürtige Boris Akunin (Fandorin - 2001, Pelagia und
die weißen Hunde - 2003) ist Russlands erfolgreichster
Kriminalschriftsteller.
Bildung und Wissenschaft
Bildung wird in Georgien groß geschrieben. Pro 1.000
Einwohner gibt es statistisch 27,97 Studenten. Das sind mehr
als in Deutschland oder in der Schweiz. Georgiens Regierung
will die in den letzten Jahren rückläufigen Bildungsausgaben
(2001: 2,3 % des Bruttoinlandsprodukts) drastisch steigern.
Präsident Saakaschwili nannte Georgiens Reichtum nicht
Gold und Erdöl, sondern unsere Begabung, unseren Intellekt,
unsere Fähigkeiten, unsere Bildung und unsere gebildeten
Menschen.
Die wichtigsten wissenschaftlichen Einrichtungen sind die
Staatliche Universität Tiflis mit rund 30.000 Studenten
an 18 Fakultäten, die Georgische Technische Universität,
die Staatliche Pädagogische Universität, die Staatliche
Medizinische Universität und die Staatliche Universität
für Sprache und Kultur in Tiflis sowie die Akaki-Zereteli-Universität
Kutaissi. Die Georgische Akademie der Wissenschaften hat
zehn wissenschaftliche Abteilungen und 63 Forschungsinstitute.
Georgien besitzt knapp 5.000 Bibliotheken, rund 250 verschiedene
Museen und ein Netzwerk von über 70 Archiven.
Literatur
Thea Kvastiani, Vadim Spolanski, Andreas Sternfeld: Georgien
entdecken. Unterwegs zwischen Kaukasus und Schwarzem Meer.
Trescher Verlag, Berlin 2000, ISBN 3928409859
Ulrich Bock: Georgien und Armenien. DuMont Reise Verlag,
Köln 1988, ISBN 3770114647
Tessa Hoffmann, Margarita Woskanjan: Armenien und Georgien.
Zwischen Ararat und Kaukasus. Ein EXpress Reisehandbuch.
Mundo Verlag, Köln 1990, ISBN 3873220016
Joachim Laub (Hrsg.): Georgien: Geschichte, Geographie, Politik,
Kultur, Alltag, Reiserouten, Küche, praktische Tips.
Geschichtsverlag Silke Brück, Heusweiler 1989, ISBN
3980232611
Károly Gink, Erzsébet Tompos: Georgien. Verlag
Werner Dausien, Hanau/M. 1975, ISBN 3768414582
Ilma Reisser: Georgien. Herder, Freiburg im Breisgau 1989
ISBN 3451214547
Roin Metreveli: Georgien. Ein Überblick. Tbilisis Univ.
Gamomcemloba, Tbilisi 1996
Ilma Reissner: Georgien: Goldenes Vlies und Weinrebenkreuz.
Verlagsbuchhandlung "Der Christliche Osten" GmbH,
Würzburg 1998, ISBN 392789429X
Nana Ansari: Die georgische Tafel: Mit 151 Rezepten. Mandelbaum,
Wien 2004, ISBN 3-85476-134-1
Heinrich Rohrbacher: Materialien zur georgischen Bibliographie.
Deutsches Schrifttum. Dr. Rudolf Habelt GmbH, Bonn 1981,
ISBN 3774918511
Roger Rosen, Jeffrey Jay Foxx: Georgia: Sovereign Country
of the Caucasus (Odyssey Georgia). Odyssey Publications,
ISBN 9622177484
Peter Nasmyth: Georgia. In the Mountains of Poetry. Cruzon
Press, Richmond 2001 (second edition), ISBN 0-7007-0955-X
Nathalie Natrochvili, Vakhtang Meliava: Le Guide de la Géorgie.
Nouvelles Editions de l'Université, Paris 2000, ISBN
2862739502
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