Polen
Die Republik Polen (polnisch Rzeczpospolita Polska) ist
ein Staat in Mitteleuropa. Flächenmäßig ist
Polen der neuntgrößte Staat in Europa.
Der Name Polen kommt von dem westslawischen Stamm der Polanen,
deren Siedlungsgebiet sich im zentralpolnischen Großpolen
um Poznan und Gniezno befand.
Politik
Verfassungssystem
Die polnische Verfassungsgeschichte hat eine lange Tradition.
Als Staat mit einer kontinentaleuropäischen Rechtsordnung
hat sich in Polen im Gegensatz zu den auf dem Common Law
basierenden Rechtssystemen die geschriebene Verfassung
durchgesetzt. Die ersten schriftlich niedergeschriebenen
Verfassungsgesetze, die die Macht des Monarchen einschränkten,
wurden bereits nach der Wiedervereinigung im 14. Jahrhundert
erlassen. In einem dynamischen Prozess entwickelte sich
das Königreich Polen zu einer Adelsrepublik mit demokratischer
Willensbekundung.
Königreich Polen und die Adelsrepublik
(Erste Republik)
Das erste polnische Gesetz, das man als Verfassung, Konstitution,
bezeichnen kann, ist das Statut von Koszyce im Jahr 1374,
in dem der polnisch-ungarische König Ludwig von Anjou
für die Wahl seiner Tochter Jadwiga der Heiligen zum
König von Polen dem wahlberechtigten Adel Privilegien
zugestandt. Insbesondere wurde den Königen verboten
weitere Steuern ohne die Zustimmung der Regionalparlamente
(Sejmiki), in denen der lokale Adel vertreten war, zu erheben
oder die Adeligen zu irgendwelchen Diensten zu bestellen.
Diese Rechte des Adels wurden von den nachfolgenden Königen,
um die Wahl ihrer Nachkommen zu begünstigen oder die
Adeligen für einen Kriegszug zu gewinnen, bestätigt
und erweitert. Wladyslaw Jagiello gestand in den Statuten
von Petrikau 1388, Czerwinsk 1422, Warta 1423 und Krakau
1433 die Unantastbarkeit der Freiheit "neminem captivabimus
nisi iure victum" und des Eigentums ohne Gerichtsurteile,
Mitspracherechte bei der Fiskalpolitik, Preisbindungen
für Agrarprodukte u.a. Rechte zu. Kasimir der Jagiellone
weitete diese Privilegien im Statut von Vilnius 1447 auf
den litauischen Adel aus und stellte ihn der polnischen
Schlachta gleich. Im Statut von Nieszawa 1454 bekam der
Adel de facto das Recht über Krieg und Frieden zu
entscheiden und die Regionalparlamente konnten die Verleihung
von Rechten an andere Stände verhindern. Deswegen
nehmen einige Verfassungsrechtshistoriker an, dass dieses
Datum bereits den Beginn der Adelsrepublik darstellt. Die
herrschende Meinung geht jedoch davon aus, dass als Geburtsstunde
der Adelsrepublik das Statut von Petrikau vom 27. Februar
1493 anzunehmen ist, in dem sich König Jan Olbracht
verpflichtete ein ganzpolnisches Zweikammerparlament Sejm
und Senat in Petrikau einzurichten und der Kirche verboten
wurde, sich in die weltliche Judikative einzumischen. Damit
war praktisch der Adelsstand (Schlachta), der ca. 10 -
15 % der polnischen Bevölkerung ausmachte, der Souverän
im Staat, der seit 1497 auch keine Zölle zu bezahlen
hatte. Gleichzeitg wurde es den Leibeigenen verboten die
Dorfgemeinschaft zu verlassen, bevor sie nicht alle Schulden
an den Gutsbesitzer abgezahlt hatten, und den Stadtbürgern
Grundstücke zu erwerben. Der König wurde faktisch
zum vom Sejm (ab)berufenen "Repräsentant" der
Republik. 1501 wurde im Statut von Mielnik die Exekutive
auf den Senat übertragen, dessen Vorsitzender zwar
der König (damals Alexander) war, der jedoch abgesetzt
werden konnte, wenn er sich der Mehrheitsentscheidnung
nicht beugen sollte. In dem Statut von Petrikau von 1504
wurde die Kontolle über die Vergabe von Grundbesitz
und Ämtern auf den Sejm übertragen, wobei die Ämterhäufung
in einer Person verboten wurde. Die wichtigste Konstitution
der Adelsrepublik gab sich der Sejm 1505 in Radom dann
schon selbst, namentlich die Nihil Novi nisi commune consensu,
die allgemein als "Nichts über uns ohne uns" übersetzt
wurde und dem König auch die Legislative entzog. Untereinander
sollte der Adel ohne Rücksicht auf Vermögen rechtlich
gleichgestellt sein. Gleichzeitig wurde vereinbart, dass
die Staatsbeamten in freien Wahlen gewählt werden
sollten. Auch die Judikative wurde dem König schrittweise
entzogen. 1518 verzichtete Sigismund der Alte auf die Entscheidung
von Streitigkeiten zwischen Adeligen und Nichtadeligen.
1520 wurde den Stadtgerichten verboten über Adelige
zu urteilen und 1523 wurde eine zweite Gerichtsinstanz
eingeführt. Ab 1563 gab es zeitlich begrenzte höchste
Gerichte, die jedoch nur für einzelne Rechtsstreitigkeiten
Ad hoc gebildet wurden. Nach der Unionsakte von Lublin
von 1569, die auf den größten polnischen Juristen
der Renaissance Jan Zamoyski zurückgeht, wurde 1578
ein ständiges höchstes vom König unabhängiges
Gericht, das Krontribunal, eingerichtet. Damit war die
moderne Gewaltenteilung in der polnisch-litauischen Adelsrepublik
des 16. Jahrhunderts verwirklicht. Die Legislative lag
beim Sejm, die Exekutive beim Senat und die Judikative
bei dem Krontribunal. In der Konföderation von Warschau
von 1573 wurde es dem König und anderen staatlichen
Organen verboten in die Religionsfreiheit der Adeligen
einzugreifen. All diese Bestimmungen wurden ab 1573 in
der sogenannten pacta conventa zusammengefasst und mussten
von jedem Anwärter auf den polnischen Königsthron
vor seiner Wahl unterschrieben werden. Das erste Staatsbudget
Polens verabschiedete die Sejm 1768. Der Rechtszustand
der pacta conventa dauerte bis zur Verfassung vom 3. Mai
1791 mit kleineren Änderungen fort. Insbesondere ist
erwähnenswert, dass sich Mitte des 17. Jahrhunderts
das liberum veto einsetzte, dass es jedem Abgeordneten
ermöglichte einen Gesetztesentwurf zu Fall zu bringen.
Dies förderte die Stellung der mächtigen Magnaten
innerhalb des Adels, die regelmäßig Änderungen
ihrer Goldenen Freiheit verhindern konnten. In der Aufklärung
wurde jedoch erkannt, dass die priviligierte Stellung des
Adels nicht mehr zeitgemäß war. Der Vierjährige-Sejm
(1788 - 1792) arbeitete eine Verfassung aus, die am 3.
Mai 1791 verabschiedet wurde und als die Verfassung vom
3. Mai in die Historie einging und als erste moderne Verfassung
Europas gilt. Einer der wichtigsten Autoren dieser Verfassung
war Hogo Kollataj, eine der größten Persönlichkeiten
der europäischen Aufklärung. Mit ihr wurden auch
den anderen Ständen weitgehende Privilegien zugesichert.
Wirtschaft
Das polnische Bruttosozialprodukt betrug 2004 laut der Weltbank
491.549 Mio. USD, was Polen den 22. Platz unter den größten
Volkswirtschaften der Welt beschert. Für 2005 wurde
ein Wert von 512,9 Mrd. USD prognostiziert. Umgerechnet
auf den BSP-Wert pro Einwohner wuchs dieser von 12.000
USD im Jahr 2004 auf 13.275 USD im Jahr 2005, womit sich
Polen relativ im Vergleich zu anderen Staaten um sechs
Plätze verbessert hat. Das Wirtschaftswachstum war
in letzter Zeit im ersten Quartal 2004 (also unmittelbar
vor dem EU-Beitritt) mit 6,9 % am höchsten. Nach der
Akzession fiel es zunächst beständig, so dass
für das Jahr 2004 ein Gesamtwert von "nur" 5,3
% zu verzeichnen war. Mittlerweile ist die vorläufige
Talsohle wieder durchschritten, und die polnische Wirtschaft
wuchs im dritten Quartal 2005 mit 3,5 %, was voraussichtlich
zu einem Gesamtwachstum von 3,3 % führen wird. Für
das nächste Jahr wird mit einem Gesamtwachstum von
4 bis 5 % gerechnet.
Die Inflation wird 2005 wahrscheinlich 1,8 % betragen, womit
sie wahrscheinlich niedriger wäre als die in der Eurozone.
Der polnisch Zloty ist im Jahresvergleich zum Euro und USD
um ca. 20 % stärker geworden. Die offizielle Arbeitslosenquote
liegt bei 17,3 % (Oktober 2005), was ca. 2,7 Mio. Menschen
im erwerbsfähigen Alter ausmacht, und ist im Vergleich
zum Vorjahr um etwa 3 Prozentpunkte gefallen. Gleichwohl
hat Polen offiziell die höchste Arbeitslosenquote in
der EU. Andererseits dürfte aufgrund der nicht unerheblichen
Schattenwirtschaft die faktische Arbeitslosenquote weit niedriger
und die Reallöhne höher liegen, da viele Arbeitnehmer
und Selbständige ihre faktischen Einnahmen entweder überhaupt
nicht oder zu einem geringeren Betrag dem Fiskus angeben.
Eine Studie des Magazins Wprost hat ergeben, dass die Gesamtausgaben
der polnischen Bevölkerung die Gesamteinnahmen beträchtlich übersteigen,
gleichzeitig aber ihre Kapitalersparnisse stetig wachsen.
Dies ist nur damit zu erklären, dass viele Bürger
ihre Einnahmen nicht den Finanzämtern melden. 2004 waren
etwa 0,5 Mio. polnische Staatsbürger in der westlichen
EU beschäftigt. 324.000 davon als Saisonarbeiter in
der deutschen Landwirtschaft und verarbeitenden Industrie,
73.000 in Großbritannien, 14.500 in Irland und 9.800
jeweils in Spanien und Frankreich.
Der Export 2004 umfasste 73,78 Mrd. USD und der Import 88,16
Mrd. USD. Das hohe Außenhandelsdefizit ist jedoch im
Fallen begriffen. Mit 30,1 und 24,4 % stellte Deutschland
den größten Handelspartner dar, obwohl auch dieser
Anteil zurückgeht und der Handel mit der Ukraine und
Russland überdurchschnittlich zunimmt. Weitere wichtige
Handelspartner sind die anderen EU-Staaten Italien, Frankreich,
Großbritannien und die Tschechische Republik sowie
sie USA und die Volksrepublik China. Bei den Direktinvestitionen
sind Frankreich und Großbitanien führend. Der
Anteil der Bundesrepublik ist erstaunlicherweise kleiner.
Polen exportiert landwirtschaftliche und industrielle Produkte
und zunehmend auch Diensleistungen, z.B. im Rahmen des Outsorcing
von Geschäftsbereichen (Buchführung, Marketing,
Kundenbetreuung) ausländischer Unternehmen. Ausländische
Investoren investeren vor allem in den Finanzsektor, der
in den letzten Jahren jeweils ein zweistelliges Wachstum
verzeichnen konnte. Ende 2004 wurde die größte
polnische Bank PKO privatisiert. Ein möglicher Zusammenschluss
von Pekao SA und BPH PBK im Rahmen der Übernahme der
HVB durch Unicredito würde jedoch eine noch größere
Bank entstehen lassen. Andererseit versuchen immer mehr ausländische
Unternehmer sich polnisches Kapital auf der Warschauer Börse
(GPW) und dem Warschauer Aktienindex (WIG) zu verschaffen.
Seit dem 01.05.2004 haben bereits 13 ausländische Emittenten
den Antrag auf Eintragung bei der GPW gestellt und sieben
sind dort bereits notiert. 2004 sank die Zahl der registrierten
Unternehmen um 4.600, wobei hauptsächlich Ein-Mann-Unternehmen
schlossen, insgesamt waren Ende 2004 3,5 Mio. Unternehmen
registriert.
Primärer Sektor (Landwirtschaft)
Der primäre Sektor war bis ins 19. Jh. der Hauptwirtschaftszweig
in der Adelsrepublik, die bis zu den polnischen Teilungen
als Kornkammer Europas galt. Die Agrarerzeugnisse aus den
riesigen Magnatengütern Kleinpolens und der Ukraine
mit ihren Schwarzerde- und Lößböden wurden über
die Weichsel und Danzig nach Westeuropa verschifft. Die Bedeutung
des Agrarsektor ist heute im Schrumpfen begriffen. Er machte
2004 nur noch 4 % des BSP aus. Gleichwohl sind noch ca. 15
% der Erwerbstätigen in diesem Sektor beschäftigt.
Dies liegt vor allem daran, dass es in Polen noch viele Kleinhöfe
gibt. In keinem anderen Staat Europas ist der Anteil der
Einwohner, die ein eigenes Grundstück besitzen, so hoch,
wie in Polen. Die polnischen Landwirte haben den EU-Beitritt
größtenteils befürwortet und profitieren
von der Öffnung des europäischen Marktes und den
EU-Subventionen, die jedoch pro qm nur 25 % dessen betragen,
was ihre Kollegen in der alten "EU der 15" bekommen.
Die Getreideproduktion stieg 2004 um 26,7 % auf 29,6 Mio.
Tonnen (2000 betrugen sie 22,3 Mio. t) was vor allem an guten
Witterungbedingungen lag. Die gesamte pflanzliche Produktion
stieg um 17 % und die landwirtschaftlichen und Lebensmittelexporte
stiegen 2004 im Vergleich zu 2003 um 30 % auf 4,9 Mrd. Euro.
3,5 Mrd. gingen davon in die EU. Der Konkurrenz der großen
industrialisierten Agrarbetriebe aus Westeuropa (vor allem
Frankreich) begegnen viele polnische Kleinlandwirte weiterhin
mit der Spezialisieung auf Bioprodukte, bei deren Erzeugung
Polen in der EU führend ist. Führende auf Börsen
kotierte polnische Agrarverarbeitungsunternehmen sind Wedel,
Wawel, Jutrzenka, Zywiec und Indykpol.
Sekundärer Sektor (Industrie)
Der indusitrielle Sektor spielte seit dem Ende des 19. Jh.
die führende Rolle. Nach 1989 musste er jedoch diese
an den Dienstleistungssektor abgeben. Die Industrieproduktion
ist aufgrund der Schließung von vielen großen
Indutriebetrieben in den 1990er Jahren beachtlich geschrumpft.
Die bestehenden Betriebe wurden modernisiert und konkurrieren
mittlerweile erfolgreich mit den Produzenten aus aller
Welt. Die Investitionen im sekundären Sektor waren
besonders in den 1990er Jahren sehr hoch, vor allem in
der Automobil- und Elektroindustrie. Viele ausländische
Unternehmen haben in Polen, wegen der relativ niedrigen
Kosten (Löhne, Lohnnebenkosten und Steuern) sowie
des hohen Angebots an hochqualifizierten Arbeitskräften
(in Polen studieren ca. 2 Mill. Menschen) und nicht zuletzt
wegen des großen Absatzmarktes mit fast 40 Mio. Einwohnern
immer mehr konsumfähigen Verbrauchern, Produktionsstätten
eröffnet. Die führenden börsennotierten
Industrieunternebmen sind Orlen und Lotos (beide Erdölverarbeitung
und Tankstellenbetreiber) sowie KGHM (Kupferabbau und -verarbeitung),
Kety (Aluminiumabbau und -verarbeitung) und Budimex (Bauunternehmen).
Daneben gibt es eine Reihe von großen industriellen
Staatsunternehmen, die demnächst über ein "going-public" privatisiert
werden sollen, wie z.B. das Gasunternehmen PGNiG. Einige
polnische Industrieunternehmen haben auch in Deutschland
investiert und dort Arbeitsplätze geschaffen, allen
voran PKN Orlen mit über 500 Tankstellen (Orlen- und
Star-Tankstellen).
Tertiärer Sektor (Dienstleistung)
Der Dienstleistungssektor dominiert seit 1989 die Wirtschaft
in Polen und macht weit über die Hälfte des BSP
aus. Er ist der sich am schnellsten entwickelte Bereich
der polnischen Wirtschaft. Das größte Dienstleistungszentrum
ist die Finanzmetropole und Hauptstadt Warschau, wo die
allermeisten Unternehmen aus dem tertiären Sektor
ihren Sitz haben. Aber auch die Messestadt Posen und die
südpolnischen Metropolen Krakau und Breslau sind wichtige
Dienstleistungsstandorte. Im letzten Jahr konnte die ehemalige
Textilindustriedtadt Lódz aufgrund zahlreicher Investitionen
in Dienstleistungen an diese Städte aufschließen.
Dies hat sie vor allem der zentralen Lage und dem Anschluss
an das neue Autobahnnetz (A1 von Cieszyn nach Danzig und
A2 von Kostrzyn nach Bialystok) zu verdanken. Dreizehn
der WIG20 Unternehmen sind aus dem tertiären Sektor,
namentlich die Banken PKO BP, Pekao, BPH PBK, BRE und BZ
WBK, die Telekommunikationsunternehmen Telekomunikacja
Polska SA und Netia sowie die IT-Gesellschaften Computerland,
Prokom und Softbank als auch die Medienkonzerne Agora und
TVN sowie die Hotelkette Orbis. Zu den großen noch
zu privatsierenden Dienstleistungsunternehmen gehört
das Versicherungsunternehmen PZU, die Eisenbahngesellschaft
PKP, die Fluglinie Lot die staatliche Post Poczta Polska
sowie die Trägergesellschaft der Warschauer Börse
GPW SA.
Kapitalmarkt
Die Entwicklung des polnischen Kapitalmarktes begann im
Mittelalter aufgrund der Einwanderung von Kaufleuten aus
Norditalien und den Niederlanden in den Gilden der großen Handelsstädte.
So stammt das polnische Wort für Börse gielda
von gilda, was im Mittelhochpolnisch dem Mittelhochdeutschen
Gilde entsprach. Der börsenmäßige Handel
mit Wechseln und anderen Schuldpapieren entstand um ca.
1300. In der polnisch-litauischen Adelsrepublik erhielten
die Kaufleute bestimmte Handelsprivilegien für den
Börsenhandel, die man als erste Börsenordnungen
ansehen kann. Börsenplätze bestanden in Danzig
(Artushof), Krakau, Posen, Zamosc und Warschau. Seit dem
18. Jh. haben z.B. die Warschauer Kaufleute ihre zwei mal
pro Woche stattfindenden Börsentreffen protokolliert.
Aus dieser Zeit stammen auch die ersten polnischen Aktiengesellschaften,
wobei die älteste erhaltene polnische Aktie die der
Kompania Manufaktur Welnianych w Warszawie aus dem Jahr
1768 ist. Die ersten modernen polnischen Wertpapierbörsen
wurden 1817 und 1818 in Warschau und Krakau gegründet.
Handelsgegenstand waren Schuldverschreibungen und Aktien.
In der Zweiten Republik bestanden bereits sieben Wertpapierbörsen
in Warschau, Krakau, Posen, Lódz, Kattowitz, Lemberg
und Vilnius. Mit dem Beginn des Zweiten Weltkriegs wurden
alle von den deutschen Nazis und den sowjetischen Kommunisten
geschlossen. Erst nach 50 Jahren entstand der polnische
Kapitalmarkt 1989 erneut. 1991 wurde die Warschauer Wertpapierbörse
[1] (pl. Gielda Papierów Wartoscowych w Warszawie
- GPW, en. Warsaw Stock Exchange - WSE) neuerrichtet. 1996
kam die Handelsplatform CeTO (Centralna Tabela Ofert) als
regulierter nichtbörslicher Markt hinzu, die ihren
Sitz ebenfalls in Warschau hat. Die WWB ist die größte
Börse in Mittelosteuropa und eine der schnellstwachsenden
auf der Welt. Im Jahre 2005 hat die WWB die Wiener Börse
in Bezug auf die Börsenkapitalisierung überholt.
Die Kapitaliesierung der WWB beträgt fast 300 Mrd.
USD. 2004 fanden an der WWB fast 40 IPOs (Initial Public
Offer - Börseneinführung einer AG) statt, was
ihr nach der LSE den zweiten Platz in Europa brachte, wobei
die IPO der PKO BP mit fast 2 Mrd. USD zu den fünf
größten in Europa im Jahr 2004 zählte.
In diesem Jahr wird die Anzahl der IPOs noch höher
sein und der WWB voraussichtlich den dritten Platz im europäischen
Vergleich nach der LSE und der Euronext einbringen. Auch
sechs ausländische Emittenten und mehrere ausländische
Maklerhäuser sind seit 2004 Mitglieder der WBB, wie
z.B. die MOL, Credit Austria, Skyeurope, Reiffeisenbank,
etc. Die Gesamtzahl der kotierten Gesellschaften beträft
fast 300. Die Entwicklung des Finanzplatzes Warschau wurde
2000 in der Agenda Warsaw City 2010 geplant. Neben dem
going-public der WWB und einer strategischen Partnerschaft
mit (wahrscheinlich) der Euronext, wurde festgesetzt, dass
bis 2010 die Börsenkapitalisierung 50 % des Bruttosozialproduktes
betragen soll. Mittlerweile ist die WWB ihren dort gefassten
Prognosen voraus, und wird das Ziel wahrscheinlich früher
erreichen. Das Anlegerpublikum teilt sich in drei ca. gleichgroße
Teile: polnische Privatanleger, polnische institutionelle
Anleger und ausländische instutionelle Anleger (von
diesen kommen 76 % aus Großbritannien, 5 % aus den
USA, 3 % aus Italien, 2 % aus der BRD, 1 % aus Frankreich,
etc.) Am schnellsten im Wachstum begriffen ist der Anteil
der polnischen institutionellen Anlager, da ein Drittel
der Rentenbeiträge der polnischen Arbeitnehmer über
Rentenfonds auf den Kapitalmarkt treffen. Nach der weltweiten
Baisse in den Jahren 2000-02 befindet sich die WWB seit
2003 in einer Haussephase. In den letzten Monaten wurden
stets neue Allzeithochs des WIG (Warszawski Indeks Gieldowy
- Hauptindex) und des WIG20 (Index der 20 großen
Golden Shares) erreicht. Der erste befindet sich derzeit
bei ca. 33.000 und der zweite bei 2.500 Punkten. Weitere
Indizes der WWB sind der MIDWIG (mittelgroße AGs),
WIRR (kleine AGs), TechWIG (technische AGs), WIG-PL (große
und mittlere AGs mit Sitz in Polen), NIF (Investmentfonds)
sowie die Branchenindizes WIG-Banken, WIG-Bau, WIG-IT,
WIG-Medien, WIG-Lebensmittel und WIG-Telekommunikation. |